Beratungspraxis

Beispiele:

Human Design System

 

Guten Tag Herr Scheidegger

Leider habe ich bisher keine seriösen Einschätzungen zum Human Design System finden können.
Vielleicht haben Sie ja etwas dazu zu sagen.

…. Peter Schöber (http://www.ps-hds.com). Mir scheint das eine sehr gefährliche Sache zu sein. Daher bin ich auf der Suche nach Argumenten. Gerade weil es so wissenschaftlich daher kommt, fühlen sich wohl auch durchaus lebenserfahrene intelligente Menschen angesprochen.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar für eine Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüssen

Antwort:
Sie fragen mich an, ob ich allenfalls etwas zu sagen hätte zum Angebot von Peter Schöber „Human Design System“ (HDS), das sich unter www.ps-hds.com im Internet präsentiert.
Ich bin erstmals durch Ihre Anfrage auf das Angebot aufmerksam gemacht worden. Ich kenne es also nicht. Ich habe mir die Informationen der Webseite angeschaut und kann Ihnen entsprechend auch nur meine Gedanken mitteilen, die sich einstellen, wenn ich das Angebot in der präsentierten Form anschaue.

Als erstes kommt bei mir die Frage nach der Ideologie hoch. Jedes Angebot, welches mir eine bestimmte Methode oder Betrachtungsweise anbietet, mit Hilfe dessen ich mein Leben total in den Griff kriegen soll, die besseren Entscheidungen treffen oder schlicht und einfach vollkommen werden könne, ist als Ideologie für mich und meine Persönlichkeit tendenziell krank und abhängig machend.
Da sagt mir jemand, wie ich als Mensch sei. Ich sei ein bestimmtes System ein sog. humanes Design-System. Entsprechend wird dann angeboten, dass bei richtiger Anwendung dieses Systems auch die entsprechenden Resultate erzielt und die schon lange erwünschte und erstrebte Lebenserfüllung gefunden werde.

Es ist natürlich klar, dass ich in meinem Menschsein durch meine Geschichte und äussere Einflüsse geprägt worden bin. Ob es aber legitim ist, daraus eine Lehre zu formulieren, welche für sich beansprucht, den genauen Unterschied zwischen den Bereichen zu kennen, welche sogenannt definiert seien und denjenigen, welche offen seien, das überschreitet für mein Verständnis die Schwelle zur Ideologie. Da wird mir eine Körpergraphik präsentiert, die eine logisch strukturierte Darstellung des Wesen des Menschen darstelle. Und der Mensch sei – wenn ich dies kritisch lese – gemäss diese „Landkarte“ strukturiert .
(siehe http://www.ps-hds.com/content.php?seite=seiten/human_design_system.php ).
Anhand dem sog. „Offenen“ (farbig eingezeichnet), könne nun durch den Unterschied zum weiss Gebliebenen genau unterschieden werden zwischen festgelegten Eigenschaften, die unsere Einmaligkeit beschreiben und dem, was uns umgebe. Eine höchst fragwürdige Vorstellung. Ein solches Menschenbild teile ich nicht, dass klar zu trennen sei in der Persönlichkeit des Menschen, welche Elemente definiert und welche für Veränderung offen seien.

Wie bei vielen solchen Angeboten scheint mir auch hier eine Verabsolutierung von einzelnen Aspekten stattzufinden. Selbstverständlich gibt es in unserem Leben Elemente, welche uns geprägt haben und prägen. Wenn wir aber unsere Geschichte aufarbeiten, lassen sich viele solcher Prägungen auf eine gute und sinnvolle Art und Weise in unser Leben integrieren. Es ist deshalb für mich nicht nachvollziehbar, wie Peter Schöber allen Ernstes meint:
·    „Die wichtigste Frage im Leben jedes Menschen lautet aber: wie treffe ich meine Entscheidungen? … Geben wir nämlich der Offenheit Autorität – was leider der Normalfall ist – treffen wir jene Entscheidungen, die dem Durchschnitt unserer Umgebung entsprechen. Damit bekommen wir …. ein Leben im Einheitsbrei.
·    Folgen wir aber den speziellen in uns angelegten Eigenschaften – dem Definierten – dann treffen wir jene Entscheidungen, die unserer Einmaligkeit entsprechen.“
Entsprechend dem Human Design würde dies also heissen, dass ich dann, wenn ich dem, was noch nicht festgelegt ist in mir, Raum gebe, dann erhalte ich nur einen Einheitsbrei. Wenn ich aber das System  von HDS übernehme und das darin Festgelegte zur Entfaltung bringe, dann würde ich meine Einmaligkeit erreichen. Diese Entwicklung kann ich nicht nachvollziehen. Viel eher scheint mir eine Verblendung in eine bestimmte Vorstellung und Abhängigkeit von einer bestimmten Methode daraus zu resultieren.

Wie gesagt, ich kenne das System nicht und will es – wenn ich ehrlich bin – eigentlich auch gar nicht persönlich kennen lernen. Mein Verständnis von der Individualität und der Eigenständigkeit der menschlichen Persönlichkeit ist einer anderen Sichtweise verpflichtet. Niemals wird eine bestimmte Methode meine Entwicklung garantieren, ein bestimmtes Menschenbild mich in meinem Dasein einfach so darstellen können. Viel mehr sehe ich die menschliche Persönlichkeit als eine Ganzheit an, die sich durch all die Prägungen und Einflüsse und die von Geburt an mitgebrachten Eigenheiten in einem dauernden Prozess der Ich-Werdung befindet und lernen soll die Selbstverantwortung zu übernehmen, gerade auch dann, wenn’s nicht einem Idealbild entspricht.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit etwas sagen kann, das zur kritischen und konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Angebot beiträgt. Es ist in unserem Leben ja immer latent die Hoffnung vorhanden, nach einem simplen Rezept. Aber leider ist es immer wieder so, dass wir entweder vom Rezept abhängig werden oder irgendwann wieder enttäuscht am Boden landen.

 

Mit freundlichem Gruss

Pfr. Martin Scheidegger

Nachtrag:

Unterdessen bin ich auf die Unterlagen von Ra Uru Hu aus den 90er-Jahren gestossen. Der 1948 in Montreal, Kanada geborene "Lehrer für Kunst und Naturwissenschaften, Unternehmer, Herausgeber von Zeitschriften, tätig in der Werbung und als Produktionsleiter in den Medien, Künstler, Dichter, Schriftsteller, Musiker und Komponist, Denker, Reisender, Forscher" - wie er selber von sich sagt, habe nach einer siebenjährigen mystischen Umwandlung in einem Zeitraum von acht Tagen und Nächten das Human Design Sytem empfangen.
Aus kritischen Beurteilungen dieser Zeit geht hervor, dass es sich hier um eine höchst ungewöhnliche Synthese aus Astrologie, I Ging und der indischen Chakra-Lehre handelt. Nach der astrologischen Berechnung wird das Horoskop mit seinen Planeten-Positionen auf das Rad des I-Ging übertragen und anschliessend mittels Chakra-Lehre und Kabbala die Körpergraphik entwickelt.

Vor diesem Hintergrund müssten natürlich auch alle entsprechenden kritischen Fragen gestellt werden, welche an ein solches Weltbild der Astrologie und der schicksalmässigen Prägungen ganz grundsätzlich zu stellen sind.
Sobald Menschen vorgegaukelt wird, ein System (eine Ideologie) vermittle alle Antworten und müsse nur befolgt und angewendet werden, ist dies niemals hilfreich, sondern führt immer in die Unselbständigkeit, infantilisierte Gläubigkeit und Abhängigkeit.
Diese Prüfung müsste jemand, der sich für dieses konkrete Angebot interessiert natürlich für sich persönlich vornehmen.



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